RFB-Ehrenmitgliedschaft für Henri Jansen

23 August 2021
Im Rahmen des Rheinischen Fechtertages 2021 wurde dem belgischen Fechtmeister Henri Jansen in Anerkennung seiner Verdienste um den Fechtsport (nicht nur) im Rheinland die höchste Auszeichnung verliehen, die der Rheinische Fechter-Bund zu vergeben hat: die Ehrenmitgliedschaft in unserem Verband.

Für zahlreiche Fechter, Trainer und Kampfrichter aus der Region dürfte sich eine Vorstellung Jansens erübrigen, so sehr hat der sympathische Belgier das Fechtgeschehen in der Region und weit darüber hinaus während der letzten Jahrzehnte geprägt: Über 50 Jahre lang war er als Trainer am Bundesstützpunkt in Bonn maßgeblich an den Erfolgen seiner Schützlinge bis auf die höchsten Ebenen von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen beteiligt, und bildete in dieser Zeit zudem nahezu den gesamten Nachwuchs aus, der im Rheinland die ersten eigenen Schritte als Trainer oder Kampfrichter wagte. Kombiniert mit seiner Motivationsfähigkeit, seinem Organisationstalent und einer nahezu einzigartigen Kenntnis des FIE-Reglements, die Jansen bis ins Technische Direktorium von Weltmeisterschaften sowie der Olympischen Spiele 2000 in Sydney führte, ergibt sich "ein ganzes Leben dem (Fecht-) Sport gewidmet", wie es RFB-Präsident Christian Rieger in seiner Laudatio treffend zusammenfasst. 

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Wie tief die Spuren sind, die Henri Jansen in der Fechtwelt hinterlassen hat, lässt sich indes nur schwerlich in ein paar Sätzen resümieren, weswegen wir an dieser Stelle die komplette (wenn auch strenggenommen immer noch zu kurze!) Laudatio unseres Präsidenten abdrucken. Für ein etwas lebendigeres Bild von unserem jüngsten Ehrenmitglied - Wiedererkennungswert dank einiger typischer Zitate inklusive. 


Laudatio anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im Rheinischen Fechter-Bund an Henri Jansen

von Christian Rieger, RFB-Präsident 

Lieber Henri, liebe Gäste,

« Toute une vie dédiée au sport. Au delà du possible, le pratiquer, le diffuser. » Zu Deutsch: „Ein ganzes Leben dem Sport gewidmet. Jenseits des Möglichen den Sport betreiben und ihn weitergeben.“ Kein Satz beschreibt besser deine Lebenseinstellung zum Sport, und vor allem zu unserem gemeinsamen Sport: dem Fechtsport. Ein Sport, dem du dein ganzes Leben gewidmet hast, ein Sport, den du tausenden Athleten, Eltern, Trainern, Kampfrichtern vermittelt hast. Und dies mit einer positiven Lebenseinstellung und Energie, die wahrscheinlich weltweit nur selten erreicht wurde. Und genau aus dem Grund werde ich jetzt darauf verzichten nur deine zahlreichen Ämter aufzuzählen, sondern dein fechterisches Lebenswerk Revue passieren lassen und die vielen positiven Momente in Erinnerung holen.
Leute, die dir das erste Mal begegnen, werden über dein Alter, das sie vermutlich viel zu jung einschätzen, erstaunt bleiben: Du wurdest 1944 geboren, zu einer Zeit, als sich ganz Europa mitten im Krieg befand. Da war an die meisten unter uns in diesem Raum noch nicht mal zu denken. Du hast dann in Brüssel deine Kindheit und Jugendzeit verbracht, das Fechten zählte noch nicht zu deinen Sportarten, du warst lieber beim Laufen und Geräteturnen aktiv. Schon mit 16 hast du die Schule verlassen, du wolltest etwas aktives machen und hattest keine Lust mehr auf Schule. 
 Zunächst hast du eine Karriere bei der belgischen Armee eingeschlagen. Im Rahmen deiner 2,5-jährigen Ausbildung musstest du nach Eupen zur Sportschule für einen 6-Wochen Sportkurs. Unter den bestimmt 150 Anfängersoldaten hast du dich für die Ausbildung zum Sportlehrer qualifiziert und somit deine Bestimmung fürs Leben gefunden: den Sport. In dieser Zeit hast du viele Sportarten betrieben, unter anderem warst du auch Handballtorhüter. Und als du dann das Fechten kennen gelernt hast, war für dich der weitere Lebensweg geebnet: Innerhalb von nur 3 Jahren an der Sportschule in Eupen warst du Diplom-Fechtmeister. 
Bei der belgischen Armee lerntest du die persönlichen Fähigkeiten, die du als Vorbild so sehr vorgelebt hast wie kein anderer: Organisation und Pünktlichkeit. Noch vergangene Woche in Bütgenbach mussten die Kinder lernen: Wer zu spät kommt, verpasst den Flieger. Wer zu spät kommt, verpasst alles. Einzig die Dame beim Date darf zu spät kommen. Aber nicht umgekehrt.
Deine Zeit in Deutschland startete sodann hier in Düren, wo du immer sagst: „Das war mein ÄRSTE Verein“. Als du dann in der Folge in Quadrath-Ichendorf deine Trainerkarriere begannst, wurdest du nach den ersten Titeln auf Landesebene und Bundesebene 1968 nach Bonn (einige sagen) genötigt.  In der Folge hast du sowohl im Florett als auch im Degen von der Schüler-Landesmeisterschaft bis zum Olympiasieg jeden Athleten betreut und warst insbesondere der Erste, der Kadetten zu Weltmeisterschaften für Deutschland begleitet hat. Dabei wurdest du unter Freunden als Monsieur 100.000 Volt (Der Herr mit 100.000 Volt) mit einer unerschöpflichen Energie bekannt. Über zwei Jahrzehnte warst du fünf Tage die Woche acht Stunden am Tag bis nachmittags an der Sportschule in Eupen tätig, um anschließend nach Bonn zum Training und wieder zurückzufahren. Zwischen Mitternacht und 7 Uhr morgens warst du dann zum Schlafen zu Hause. Höhepunkt deiner Trainerkarriere war sicherlich der Olympiasieg mit Ute Wessel in der Mannschaft 1984 in Los Angeles.  Zuletzt konntest du bei der Veteranen-WM als Trainer noch in der jüngsten Vergangenheit Medaillen gewinnen, so zum Beispiel 2013 und 2014 – mit einer Mannschaft, von der heute einige anwesend sind. 
Aber nicht nur die Erfolge sind die Momente, die dich als Person auszeichnen. Mit deiner ungebremsten Umtriebigkeit und Lebensfreue konntest du jedem Athleten die Freude an diesem Sport vermitteln. Das allerwichtigste war für dich „MOTIVATION“. Und der Spruch „Ihr seid die Beste von die Beste“ ist ein Satz, der über Generationen weiter getragen wurde und den JEDER von dir kennt. Geholfen hat dir hier auch dein schier unendliches und unerschöpfliches Repertoire an Konditions- und Koordinationsübungen, bei dem du selbst Hochleistungssportler an deine Grenzen bringen konntest. 
Dir waren aber nicht nur deine eigenen Athleten wichtig. Du hast auch immer selbst für die Gegner deiner Athleten ein offenes Ohr für Fragen gehabt und so wie deine eigenen Athleten in der Halle herzlich begrüßt und auch motiviert. Dein Credo lautete „der Fechtsport ist klein WIR BRAUCHEN JEDE“ und wir müssen alles tun, um dem Fechtsport zu helfen. Und das hast du Vollzeit gelebt, indem du dich mit jedem in der Halle über Training oder Reglement ausgetauscht hast. 
Unglaubliche 50 Jahre warst du in Bonn als Trainer aktiv. Dir war aber nicht nur der Sport und dein Trainersein wichtig, sondern du hast alles dafür getan, in deinem Wirkungskreis die Stimmung hochzuhalten. Wenn du dich mit dem Mikrophon und ein paar Fechtern auf den Bonner Marktplatz gestellt hast, versammelten sich die Menschen scharenweise um dich. Und nicht ohne Grund wirst du heute noch dafür angefragt, den Leuten das Fechten auf einer Kreuzfahrt vorzustellen. Du kannst Leute für das Fechten begeistern und auf Menschen zugehen. Und um sie zu motivieren, hieß es von dir: „Fechten ist ein Sport für intelligente Athlet“. Und so gelang es dir auch Jahr für Jahr bei den Turnierreifeprüfungen in Bonn zusammen mit Ute Wessel, nicht nur die zukünftigen Athleten, sondern vor allem auch die Eltern für diesen Sport zu begeistern.
An jedem Ort, wo du zugegen warst, hast du mit deiner guten Laune das Vereinsleben hochgehalten. Dabei warst du dir nicht zu schade, selbst beim Essen machen Pfannekuchen und Crêpes durch die Gegend zu schleudern oder dich selbst ins Kostüm zu schmeißen. Legendär sind auch dein traditionell organisiertes Muschelessen oder dein belgisches Bier, von dem ich selbst im Nachhinein erst gemerkt habe, dass dies ja 9 % hat. 
Du warst im Verein und in der Fechterwelt Entertainer, Animator und Motivator in einem. Ob du dafür entlohnt wurdest oder nicht, war dir dabei vollkommen egal: „Quand on aime, on ne compte pas“ – wenn man eine Sache liebt, fängt man nicht an zu rechnen. Diese Lebensfreude führt bis heute dazu, dass Kinder und Lehrgangsteilnehmer aus ganz Deutschland ins Rheinland kommen, um die Lehrgänge bei dir zu besuchen. Ob mit dem Internat, dem OFC, mit den Trainern oder in Bütgenbach:  Du warst dir keiner Idee zu schade, deinen Teilnehmern durch intelligente Übungen Koordination mit riesigem Spaß beizubringen. So wie zum Beispiel beim Spiel des wechselseitigen Aufstehens und Sitzens mit Schokozigaretten oder beim Sackhüpfen vor dem Bonner Fechtzentrum. Wenn es dann am nächsten Tag ins Schwimmbad ging, hieß es „Wir fahren gleich mit die Busse in die Wasser“. Legendär ist auch dein Tanz zu YMCA, den du Jahr für Jahr den Kindern in Bütgenbach beibringst und dann den Eltern zum Abschluss vorführst. 
Deine Erfahrungen zur peniblen und strengen Organisation hast du ebenfalls von der belgischen Armee mitgebracht, die dich in der internationalen und hochrangigen Ebene weit hinausgebracht haben. Unzählige Weltmeisterschaften hast du als Président du TD geleitet, auch bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 gehörtest du zur Riege der großen Organisatoren und bist das bei der Veteranen WM bis heute. Wenn du dies nicht warst, dann warst du bei unzähligen Wettkampfhöhepunkten Delegationsleiter für das deutsche Team. Deine Kenntnisse hast du dann auch in Deutschland bei jeder Kleinst- und Schwerstarbeit weitergegeben und warst dir für keine Drecksarbeit zu schade. Zum Beispiel warst du jahrelang in Deutschland in der Übersetzerkommission des DFB für das FIE-Reglement tätig. Bei diesen Höhepunkten und Gelegenheiten hast du dir ein Wissen angesammelt, welches auch im Rheinischen Fechter-Bund schon unzählige Turniere gerettet hat. Wenn bei Knut die Elektronik mal nicht stimmte, hast du die Runden und das KO per Hand gesetzt. Das hat bei dir auch immer grandios funktioniert, weil du in Handhabung mit Papier Profi warst, während die digitale Welt nie so dein Ding geworden ist. Immerhin konntest du auch Knut dazu inspirieren, sich ein iPad zuzulegen und dann zusammen auf Facebook aktiv zu werden. Dabei konnte es auch schon mal passieren, dass du am Abend eines Lehrgangs aus Versehen auf Facebook eine neue Gruppe gegründet hast und du dann am nächsten morgen von den Teilnehmern drauf aufmerksam gemacht wurdest.
Unvergessen bleibt auch deine Zeit als Ausbilder im Rheinischen Fechter-Bund, die dieses Jahr ihren Abschluss finden soll. Jeder, der in der Region Trainer oder Kampfrichter wurde, hat deine Ausbildung durchlaufen. Bei der Trainerausbildung klingen heute jedem noch die Zitate in den Ohren: „Von langsam nach schnell, von einfach nach kompliziert aber hinterher wieder einfach mit Variationen.“ Und die Kommunikation mit dem Athleten muss immer „mindestens 50 % positiv sein.“ Außerdem ist dir wichtig, dass die zukünftigen Trainer „wenig reden, viel zeigen, aber noch viel mehr üben.“
Auch in der Trainerausbildung hast du deinen Hang zur Pünktlichkeit und Disziplin nicht nur selbst vorgelebt, sondern auch selbst eingefordert. So haben wir häufiger schon über Lehrgangsteilnehmer gehört, der ist ein super Kerl, aber er ist immer „mit seine Handy“. 
Bei deinen Kampfrichterlehrgängen hat jeder von uns erfahren, dass du ein wandelndes Lexikon im wahrsten Sinne des Wortes darstellst. Und wenn mal wieder jemand zu faul war, den Strafenkatalog zu lernen, hast du ihm gesagt: „Es gibt die vier von die zweite Gruppe, die müssen Sie wissen. Ist es keine von die viere, pop, dann ÄRSTE Gruppe.“ Du bist wahrscheinlich der Einzige deutschlandweit, dem es gelingen kann, einem Kampfrichter in 15 Minuten das Basiswissen des FIE-Reglements im Crashkurs zu erklären. 

Lieber Henri, dass dir gleich die höchstmögliche Ehrung des Rheinischen Fechter-Bundes verliehen wird, freut nicht nur den RFB sondern deine gesamten Freunde, Athleten, Bekannten. Aktuell führst du das letzte Mal die C-Trainer-Ausbildung durch und hast heute zum letzten Mal die Verlängerung geleitet. Alle Teilnehmer werden deinen Charme, dein gebrochenes Deutsch, deine gute Laune in Erinnerung behalten. Vor allem aber: deine ungebrochene Liebe für die Sache und deinen unermüdlichen Willen, dein Wissen weiterzugeben. Dafür sind wir dir unendlich dankbar.